Anthropologie erklärt menschliches Verhalten

Anthropologie erklärt menschliches Verhalten
Was Marketing und Kommunikation daraus lernen können
Anthropologie in Marketing und Kommunikation. Besser verkaufen, verhandeln und führen.

Durch das Gehirn denken, sehen und hören wir; allerdings hat sich die Hirnforschung, eine Disziplin der Anthropologie, erst in der jüngsten Vergangenheit mit den Zusammenhängen beschäftigt. Seit einigen Jahren haben wir einen besseren Zugang zum Hirn des Menschen.

Drei Gehirne in der Anthropologie
– Wahrnehmung und Verhalten in der Anthropologie
– Anthropologie – Erkenntnisse für die Praxis
– Umsetzung in die Praxis
– Résumé:
Die Natur hat den Menschen mit drei Gehirnen ausgerüstet:
dem Stammhirn, dem Zwischenhirn und dem Großhirn:

Das Stammhirn ist das Gehirn der Verfügung über die Vergangenheit
Es ist ein Speicher der Erfahrungen von Jahrmillionen. Es ist der Sitz der Urinstinkte und Begierden. Das Stammhirn beherbergt ein starres Programm der Vergangenheit. Es ist ein „Reptiliengehirn“, das für die Selbsterhaltung in der „Fressgesellschaft“ ausreichend ist. Dieses Gehirn ist nicht in der Lage, mit plötzlichen Veränderungen in unserer Umwelt fertig zu werden. Es ist eben das Gehirn der Vorzeit der ersten Säugetiere. Als der Übergang zur „Jagdgesellschaft“ mit der Aufgabe der Selbstbehauptung folgte, galt es, auf immer wechselnde gegenwärtige Situationen zu reagieren. Hier nun kann man nicht mehr aus dem Stammhirn alte Erfahrungen abrufen.

Das Zwischenhirn besitzt diese Fähigkeit, auf den Augenblick spontan zu reagieren
Es erfolgt eine Steuerung körperlicher Reaktionen durch Emotionen. Das Zwischenhirn bietet die Fähigkeit, in der Gegenwart zu lernen. In der Zeit der „Jagdgesellschaft“ ist das Hirn ständig damit beschäftigt, die Umwelt zu beurteilen und binäre Entscheidungen zu treffen: plus/minus; Freund/ Feind; etc.

Das Großhirn ist schließlich das Gehirn der Verfügung über die Zukunft
Das dritte, das jüngste Gehirn. Im Großhirn wird ein Modellbild der Welt aufgebaut und gespeichert. Es entsteht die Fähigkeit, sich Dinge vorzustellen, die in der Realität noch nicht vorhanden sind. Damit haben wir die Verfügung über die Zukunft im Denken. Wir können zunächst im Kopf Dinge entstehen lassen, die erst später Realität werden. Mit dieser Fähigkeit kamen zugleich die Sorgen in die Welt: Wir schränken selbst unsere Lebensqualität durch ein ständiges Zukunftsdenken ein; weil wir mit dem dritten Hirn ständig versuchen, die Zukunft zu antizipieren. Daher gibt es auch eine in das menschliche Hirn eingebaute Notwendigkeit, eine Pause einzulegen, sich von diesem ständigen Zukunftsdenken vorübergehend zu befreien.

Wahrnehmung und Verhalten in der Anthropologie
Jede Wahrnehmung des Menschen geht nun nicht direkt ins Bewusstsein ein, sondern vorerst in den Kern des Stammhirns. Hier wird von der Vielzahl der Signale das Lebenswichtigste herausgelöst. Das Stammhirn hat die Aufgabe, alle Informationen zu filtern und eine Auswahl zu treffen. Was Gnade gefunden hat, geht ins Zwischenhirn und wird hier durch eine „persönliche Note“ aufgeladen. Positiv oder negativ – je nach den Erfahrungen der Person. Es gibt nichts Neutrales; unser Zwischenhirn hat stets eine „Einstellung“. Und im Zweifel ist die Einstellung des Zwischenhirns negativ. Daher auch die starke (unbewusste) Zurückhaltung des Menschen gegenüber Neuerungen. Mit der „persönlichen Note“, mit der Emotion beladen, geht nun die Wahrnehmung in das Bewusstsein: Die Wahrnehmungen werden nach „logischen“ Gesetzen ausgewertet. Hier erfolgt oftmals eine nachträgliche Rationalisierung/Begründung für das erfolgte Handeln; Beispiel: Warum ich mich für ein bestimmtes Auto entschieden habe. Das Stammhirn also liefert seine Erfahrungen, das Zwischenhirn seine Vorurteile und das Großhirn ihre Interpretationen.

Anthropologie – Erkenntnisse für die Praxis
Die drei Gehirne des Menschen sind niemals integriert. Sie arbeiten oftmals nebeneinander her, sind eigensinnig, was zu Widersprüchen führt. Jeder Mensch hat drei Instanzen in sich, jedoch setzt sich in der Praxis immer ein Hirnteil durch. Hier nun finden wir einen neuen Schlüssel der Individualität des Menschen. Jeder Mensch verfügt über ein bestimmtes „Mischungsverhältnis“, das bei Erwachsenen festgelegt ist. Die Antwort auf die Frage, welches der Hirnteile die Oberhand hat: Das Stammhirn mit seiner instinktiven, das Zwischenhirn mit seiner emotionalen oder die Hirnrinde mit ihrer eher rationalen Basis.

Die Persönlichkeit – Individualität des Menschen wird definiert aus dem Zusammenwirken dieser drei Gehirnteile und ihrer relativen Verteilung. Auf dieser Basis wurde das „AnthroProfil®“ entwickelt. Eine Analyse und Darstellungsform der Gehirnstruktur. Ein Analyse, die darüber Aufschluss gibt, wie die relative Verteilung der einzelnen Komponenten beim Individuum ist. Das AnthroProfil® als Analyse-Instrument der Gehirnstruktur führt dem Menschen vor Augen, welche Komponenten bei ihm besonders ausgeprägt sind. Je besser ein Mensch diese seine Komponenten beim Zusammenwirken der drei Hirnteile kennt, desto eher hat er die Möglichkeit, seine Stärken auszuleben. Er kann seine Identität erkennen, darstellen und umsetzen – und damit erfolgreicher sein als andere, die dies nicht beherrschen. Er kann mit gutem Gewinn sich selbst sein.

Das AnthroProfil® beispielsweise gibt Aufschluss, wie jemand auf andere wirkt. Alle Untersuchungen über Erfolge in der Kommunikation zeigen, dass Erfolg bei anderen Menschen eine hohe Korrelation aufweist mit der Stimmigkeit mit anderen. Jeder aber kann überzeugend nur sich selbst spielen. Mit Hilfe der AnthroProfil®-Erkenntnisse aus dem Zusammenwirken der drei Hirnbereiche zueinander, wird man nun nicht nur sicherer, man wird auch sensibler für die Erscheinungen anderer. So entsteht beispielsweise ein Kommunikations-Phänomen zwischen Führungskräften/Verkäufern und Mitarbeitern/Kunden. Die Führungskraft oder der Verkäufer, die/der sich selbst besser kennt – aber auch zugleich Mitarbeiter und Kunden besser kennt. Der Verkäufer z. B., der für die vorgefassten Motive seines Kunden die geeigneten Alibis liefern kann, wird von diesem Kunden am meisten geschätzt werden. Eine solche Kommunikation kann ein Verkäufer aber nur betreiben, wenn er sich selbst und seinen Kunden besser erkannt hat. Das gleiche gilt für eine Führungskraft, die sich selbst genau kennt und auf die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter stimmig eingeht.

Die Hirnforschung – umgesetzt im AnthroProfil® – ist also vor allem ein Denkanstoß, der die Individualität des Menschen wieder in den Vordergrund rückt. Er sucht die Stärken des Menschen, um diese bewusst einsetzen und ausleben zu können. Und jeder Mensch verfügt über solche Stärken – oftmals jedoch sind sie ihm nicht bekannt.

Umsetzung in die Praxis
Vorträge zu diesem Thema, Seminare und Workshops mit praktischen Übungen und anschließenden Diskussion mit Austausch anderer Teilnehmer, brachte eine Reihe von konkreten Anwendungsmöglichkeiten der Erkenntnisse der Hirnforschung für die praktische Tätigkeit in Marketing, Verkauf und Kommunikation. Z. B.:

Verbesserung der eigenen Leistung
Wir selbst als Menschen sind Me-too-Produkte, indem wir oftmals so zu sein versuchen, wie andere: unsere Vorgesetzten, unsere Freunde, etc. Me-too-Produkte aber verkaufen sich meist unter Preis. Daher sollten wir uns auf die eigenen Fähigkeiten konzentrieren, auf den Bereich, der uns am meisten liegt. Konzentrieren wir uns auf diese Stärke, dann wird die Wirkung höher. Wir sollten also das tun, was uns liegt – und nicht versuchen, dort etwas zu sein oder zu werden, wo wir schwach sind. Jeder sollte das einsetzen und ausbauen, wo er bereits Stärke hat. Hierfür liefert das AnthroProfil® Anhaltspunkte.
Aufbau von Marketing- und Kommunikations-Konzeptionen
Die Hirnforschung und das AnthroProfil® geben uns Informationen über die Menschen, mit denen wir stimmig kommunizieren wollen. Durch welche Komponenten sind sie bestimmt? Bin ich als „Absender“ der richtige Mensch, um mit diese Gruppe zu kommunizieren? Sind die Menschen bereit, mir als „Absender“ (als Unternehmen) mit meiner Struktur zu folgen?

Verbesserung der Führungs- und Verkäuferleistung
Bei Führungskräften und Verkäufern geht es ganz gezielt darum, seine Stärken herauszuarbeiten. Durch das Herausstellen und Verstärken der Stärken werden automatisch auch die Schwächen geringer. In Führung und Verkauf geht es vor allem darum, den Mitarbeitern mit den jeweiligen eigenen Komponenten die entsprechenden Aufgaben im Unternehmen bzw. im Verkauf stärker zuzuweisen, die diesen liegen – und sie von jenen zu entlasten, die bei ihnen als Schwächen auftreten. Das AnthroProfil® ist hier eine Hilfe, um zu erkennen, wo man individuelle Maßnahmen zur Leistungssteigerung ansetzen kann.

Bessere Definition der Produktpersönlichkeit
Mit dem AnthroProfil® kann man aber nicht nur Menschen charakterisieren, sondern auch Produkte sowie Kundengruppen für Dienstleistungen und Produkte. Z. B.: Ein bestimmtes Produkt zeigt eine besondere Affinität auf Menschen mit Zwischenhirn-Steuerung. Es gibt z. B. Autos, Immobilien, die man eindeutig im AnthroProfil® einstellen kann – und damit ihren Käuferkreis. Ähnliches gilt für Geldanlagen/Versicherungen: Die Einstellung zur Zukunft verschiedener Menschen erfordert eine ganz unterschiedliche Argumentation für den Verkäufer einer Versicherungsleistung – je nach der Ausprägung der instinktiven (Stammhirn), emotionalen (Zwischenhirn) und rationalen (Großhirn) Basis der Bezugsperson.

Résumé:
Eine Herausforderung
Die Stimmung und das Verhalten der überwiegenden Teilnehmer der Vorträge und Seminaren während der Darbietungen und der Diskussionen zeigen: Man ahnt, man begreift zunehmend, dass es hier um neue Erkenntnisse geht, die uns in der Praxis des Marketings, des Verkaufs und der Kommunikation dienlich sein können. Schritt für Schritt wird klarer, dass die Überlegungen und Forschungsergebnisse der Anthropologischen Wissenschaften, besonders der Hirnforschung, die Individualität des Menschen wieder in den Vordergrund bringen. Von ihm – dem Menschen -mit seiner ureigenen Persönlichkeit gehen Kräfte aus, die es zu erkennen und umzusetzen gilt. Für die „Erkenntnis“ kann man sich des AnthroProfil® bedienen: Es hilft, das individuelle Mischungsverhältnis von Stammhirn, Zwischenhirn und Großhirn zu bestimmen. Für die „Umsetzung“ bedarf es einer sehr intensiven Beschäftigung mit dem Thema. In Diskussionen und Gesprächen nach den Vorträgen wurden manche Ansatzpunkte für eine praktische Umsetzung geliefert. So zeigte sich doch: Dieses Thema lässt sich nur in einer kleineren, interessenbezogenen Atmosphäre wirklich ausloten. Geht es doch um die Individualität – was zwangsläufig generelle Patentrezepte ausschließt.
Und dennoch bleibt eine generelle Schlussfolgerung: Die Herausforderung an uns alle, uns vermehrt mit dem Gehirn des Menschen und seinem Einfluss auf menschliches Verhalten zu beschäftigen. Keine neue Alternative zu demografischen, soziologischen und psychologischen Kriterien, sondern eine zusätzliche Information, die uns einen zusätzlichen Schlüssel zum menschlichen Verhalten liefert. Wer ist wer – wie steht es um seine zwischenmenschlichen Beziehungen (Kontakt, Dominanz, Distanz) – wie ist er zeitlich orientiert (Vergangenheit, Gegen-wart, Zukunft) – und welches sind seine vorherrschenden geistigen Fähigkeiten (Spüren, Begreifen, Ordnen). Rudolf Vogl wird seine Überlegungen und Erfahrungen aus der Beratung uns weiterhin wissen lassen und auch hoffentlich möglichst bald in weiteren Buchveröffentlichungen niederlegen und damit der Fachöffentlichkeit zur Verfügung stellen.
Damit wir die Erkenntnisse in der eigenen Praxis einsetzen können: Im persönlichen Marketing und Verkauf, im individuellen Training, in der gezielten kommunikativen Ansprache, in der Abstimmung von Produktpersönlichkeit und Zielgruppe, in der digitalen Medienlandschaft – um einige gegenwärtige Anwendungsgebiete zu nennen. Nach dem, was uns an Erkenntnissen vorliegt, können wir nur erahnen, dass es hier viele neue Denkanstöße gibt. Wir sollten uns intensiv damit befassen – bevor wir voreilig übereilte Praxisschlüsse ziehen.

Rudolf Vogl ist beratender Anthropologe Institut für angewandte Anthropologie, Schlüchtern (www.anthroprofil.de)